Archiv der Kategorie: 2007 Dezember

Um Mitternacht kamen wir in Ganjam an!

Endlich war es so weit und wir erreichten Bangalore am Abend des 6. Dezembers 2007, um 20.15 Uhr.

Wahrscheinlich zum letzten Mal landeten wir auf dem alten Flughafengelände. Denn am 30. März 2008 wird der neue Flughafen Devanahalli, 37 km nördlich von Bangalore eröffnet.

Wir können nur hoffen, dass bis dahin auch die Umfahrungsstrassen fertig gestellt sind, sonst dürfte es in Sachen Stadtdurchquerung von Bangalore weiterhin chaotisch sein. Zur Zeit braucht es vom Flughafen bis zur Mysore Road, oder umgekehrt, eine bis sogar eineinhalb Stunden entsprechend der Tageszeit.

Das vorbestellte Taxi, respektive der Fahrer stand bereit, bis er jedoch das Fahrzeug aus dem Parkplatz und dem Durcheinander vor dem Flughafengebäude befreit hatte dauerte es eine Viertelstunde.

Um Mitternacht kamen wir in Ganjam an. Das heisst wir brauchten für die rund 150 km, trotz 4-spuriger richtungsgetrennter Fahrbahn 3 Stunden. Kaum zu glauben, dass wir schon dieselbe Strecke, noch auf der alten Strasse in 2 1/2 Stunden schafften. Aber eben erst muss man quer durch Bangalore, und dies heisst Nerven prüfen.

Riesenempfang in Ganjam, Elizabeth, Lakshmi und ihr Mann sowie zwei Schwestern. Aber bitte schwatzt nicht zu viel, wir sind müde und bereits um 00.15 Uhr sind wir im Bett.

Um 5 Uhr weckt uns der Muezzin!

Am andern Morgen um 5 Uhr schallt uns der Gebetsruf des Muezzin entgegen, aber kurz umdrehen und nochmals eine Runde schlafen. Um 7 Uhr „Indian Breakfast“, Tee oder Nescafé mit Milch, Toast und Bananen.

Mayte zeigt mir sehr stark juckende Stellen am ganzen Körper. Es müssen ca. 40-45 Flohstiche sein, die sie auf dem Rücksitz des Taxis aufgelesen hat. Der Verantwortliche im Reisebüro wird von uns hören.

Die Oberin Sr. Clementia und Sr. Crescens kommen uns natürlich begrüssen und wollen schon wissen was für Essenswünsche wir hätten. Mit den jahrelang gemachten Erfahrungen aber erklären wir, dass wir immer das essen was auch die Schwestern essen, und diese leben ja auch noch.

Bereits um 8 Uhr bin ich bereits mit der Schwester im Büro und lasse mich überraschen, während Mayte sich in der Nähschule engagiert.

Der erste Eindruck ist gut und alles sieht sehr ordentlich aus. Ich will natürlich zuerst einmal die Hinterlassenschaft von Sr. Dulia kontrollieren. Ich hatte ja ihre Schlussabrechnung mit einem Saldo von rund 19’000.- Rs. erhalten. Diese Abrechnung kam unter Mithilfe der Hauptbuchhalterin aus Mysore zustande. Und wie mir Sr. Crescens im Vertrauen mitteilte, musste die Provinzialität, einige Rupien dazu legen damit der Cash-Saldo stimmte.

Sr. Dulia bekommt es nicht richtig in den Griff!

Wir wussten schon seit unserem letzten Besuch in Ganjam, dass etwas auf uns zukommen würde und wir im Frühjahr unbedingt hätten nach Indien reisen müssen. Doch dies war wegen unseres Domizilwechsels nicht möglich. Wir wussten, nach Rücksprachen mit der Oberin von Karnataka, dass Sr. Dulia per Ende Mai 2008 ersetzt würde, da sie ihre Aufgaben nicht richtig in den Griff bekam. Die neue Schwester musste unbedingt in ihre Tätigkeit eingeführt werden, welches nicht einfach so von einem Tag auf den andern bewerkstelligt werden kann. Wir versuchten also nochmals mit verschiedenen Schreiben zu helfen und baten die Schwester, eine enge Zusammenarbeit mit Elizabeth, der Leiterin der Nähschule, zu pflegen. Sie weiss sehr gut Bescheid und kennt alle Kinder und Familien, da sie ja schon seit 11 Jahren für uns arbeitet.

150 Kartengüsse für die Paten, Spender, Freunde, Bekannte usw. müssen noch geschrieben werden…

Um 5 Uhr ist erste Tagwache wie bereits beschrieben, aber nochmals umdrehen und weiter schlafen bis zur 2ten Tagwache um 7 Uhr.

Frühstück wie immer um 8 Uhr und dann antreten zur Arbeit. Taxi Gopi anrufen und um 9 Uhr geht’s nach Mysore. Unbedingt noch Karten und Briefmarken sowie Air-Mail-Kleber besorgen. Denn die Kartengüsse für die Paten, Spender, Freunde, Bekannte usw. circa 150 Stück müssen noch geschrieben werden und sollten so schnell wie möglich zur Post damit sie noch vor der Weihnacht ankommen. Wenn sie aber im selben Tempo befördert werden wie es war beim Briefmarken kaufen, dann kommen sie gerade recht zu Ostern. Für die 150 Briefmarken dauerte es 35 Minuten.

Air-Mail-Kleber gibt es nicht mehr bei der Post wie früher und auch kein Geschäft hatte welche. Ich fand aber einen Drucker der mir innert 20 Minuten die gewünschten Kleber druckte, 4 grosse Bogen für 100 INR. Wer würde bei uns noch sofort und im Eiltempo für 2.80 CHF inkl. Material so etwas machen.

Auch nach 2 1/2 Jahren praktisch kein Fortschritt im Englisch?

Über den Englischkurs habe ich im November 2006 berichtet, und wollte nun sehen wie das Resultat ist nachdem ich dem Lehrer noch geschrieben hatte und ihn bat die Grammatik nach 2 1/2 Jahren zu vernachlässigen und sich auf das gesprochene Englisch zu konzentrieren. Soll der Kurs weitergeführt werden oder nicht?

Doch eine diesbezügliche Entscheidung wurde mir abgenommen indem nämlich der Unterricht ab April nicht mehr statt fand. Niemand konnte oder wollte mir sagen weshalb, und wer dies veranlasst hatte. Wenn ich nun aber mit ehemaligen Schülern des Kurses versuchte mich zu unterhalten stellte ich fest, dass Englisch sich noch nicht in ihren Köpfen etabliert hatte. Bei solch schlechtem Resultat nach 2 1/2 Jahren entschlossen wir uns den Kurs nicht wieder auf zu nehmen, um so mehr als es wahrscheinlich wieder schwer fallen würde einen guten Lehrer zu finden.

Mit nur einer Niere geboren!

Das Mädchen Kusuma, 13 Jahre, kam mit Ihrer Mutter. Sie ist mit nur einer Niere geboren. 2001 sammelte man in ihrer Schule und auch via Zeitung Geld um ihr im November 2001 die Operation der einstweilen angegriffenen Niere zu ermöglichen. Nun 6 Jahre später muss sie erneut untersucht und allenfalls nochmals operiert werden. Eine erneute Geldsammlung kam nicht zustande, aber wir werden für die anfallenden Kosten gerade stehen. (Die Kosten können an die 100’000 INR betragen oder etwa 3000 CHF)

Wolldecken als Weihnachtsgeschenk für die Kinder!

Wenn wir Ende des Jahres in Ganjam sind ist es üblich, dass die Kinder ein kleines Weihnachtsgeschenk erhalten. Wir hatten uns schon länger darüber Gedanken gemacht und da uns Elizabeth vor kurzem mitgeteilt hatte, dass es kalt geworden sei, entschlossen wir uns Wolldecken abzugeben.

Dazu natürlich wie immer etwas zum Schlecken und deren Einkauf geht problemlos über die Bühne, hingegen wegen den Wolldecken gehen die Meinungen auseinander, schlussendlich aber siegen Mayte und Elizabeth mit ihrer Auswahl. Im Nachhinein müssen die Schwester und ich neidlos zugeben, dass diese Wahl die bessere ist.

Blindarm operieren oder eine Chance für skrupellose Geldverleiher!

Tilak ein Junge von 12 Jahren musste am Blinddarm operiert werden. Seine Mutter Rathna brachte ihn ins Spital. Bevor jedoch die Operation ausgeführt wurde mussten 10’000 INR (ca. 300 CHF) auf den Tisch gelegt werden. Dies ist für eine arme Familie unmöglich, und das ist die Chance für skrupellose Geldverleiher. Sie gewähren Darlehen zu einem Zins von 10%, jedoch wohlgemerkt pro Monat und nicht pro Jahr. Die Mutter nahm also einen solchen Kredit auf, aber diese armen Leute können diesen Zins niemals bezahlen, geschweige denn das Darlehen zurück zahlen. Sie geraten so immer tiefer in die Schuldenfalle der Kredithaie. In Ihrer Not kam die Mutter zu uns. Wir sagten ihr sie solle mit dem Kreditgeber zu uns kommen wir möchten mit ihm sprechen.

Am andern Tag waren sie pünktlich zur Stelle und es stellte sich heraus, dass der Mann ein Consular, das ist wie ein Gemeinderat, ist. Wir stellten ihn zur Rede worauf er beteuerte er verlange nur einen Zins von 2 %. Seit 3 Monaten wäre dieser fällig gewesen. Nach längerer Diskussion zahlten wir ihm die 10’000 INR (respektive die Operation) und er musste auf jegliches Zinsguthaben verzichten. Er versprach sogar sich für uns einzusetzen.

Warten wir’s ab!

Die Nähschule arbeitet wir immer ausgezeichnet!

Unsere Nähschule (Tailoring) arbeitet nach wie vor ausgezeichnet. Wir beschäftigen hier 5 Frauen, Elizabeth die Leiterin, Shanta als Näherin, Radha als Näherin und Strickerin sowie Selma und Girija als Strickerinnen. Elizabeth und Shanta haben einen fixen Monatslohn, während die andern drei Frauen einen Basislohn haben und zusätzlich pro gefertigtes Stück bezahlt werden. Sie arbeiten meist nur Halbtags. Alle haben eine Lohnerhöhung, sowie eine Gratifikation erhalten.

Als Folge der kühleren Temperaturen waren natürlich die Stricksachen begehrt, und die Strickerinnen können das Lager, für den nächsten Winter, wieder füllen. Nicht nur muss das Lager mit Stricksachen nachgefüllt werden, sondern auch von jeder Uniformgrösse muss ein Mindestbestand am Lager sein. Auch auf Vorrat werden Punjabis, Kleider und Nachthemden gehalten.

Der Nähkurs war wieder voll besetzt und wird es auch bleiben, denn es spricht sich herum, dass unser Kurs der Beste ist, auch wenn den Teilnehmerinnen keine Nähmaschine versprochen wird.

Das Studium beendet, einfach keine Lust mehr oder weggezogen!

Die nachfolgenden Kinder respektive jungen Männer und Frauen, sind aus unserem Programm ausgeschieden sei es, dass sie das Studium beendet haben, weggezogen sind oder leider die Schule aufgegeben haben.

Der Vater von Anthony Vincent, ein selbsternannter Fremdenführer und Alkoholiker, liess seine Frau und Kinder nicht mehr hier wohnen und zog mit ihnen weg. Wohin ist uns nicht bekannt. Wir bedauern dies aber sehr, da der Knabe sehr aufgeweckt und intelligent war.

Die Familie von Paul Darshan ist auch weggezogen, da der Vater an einem anderen Ort, eine besser bezahlte Anstellung fand.

Philomena hat ihre Ausbildung mit der 2ten PUC (Pre University College) abgeschlossen, ob sie jedoch die Schlussprüfung bestanden hat, liess sie uns bis anhin nicht wissen.

Pavithra hat die Ausbildung beendet mit dem 3ten Jahr BA und steht nun mitten in den Prüfungen.

Ravinandan, der schon immer etwas schwache Schulleistungen erbrachte, hat leider die Abschlussprüfung der 10ten Klasse nicht geschafft. Er wird bei seinem Vater, der eine Kräuter und Gemüsepflanzung betreibt, arbeiten.

Shankar und Silvia da Silva haben es vorgezogen während des ersten, respektive des zweiten Jahres im PUC, „Adieux“ zu sagen.

Hierzu können wir nur immer wieder sagen, dass wir unsere Hilfe und finanzielle Unterstützung geben, aber lernen und sich bemühen müssen die Schüler sich eben selber, Es gibt einige, die sich wirklich grosse Mühe geben und die es auch schaffen werden einen guten Abschluss zu machen und somit eine gute Anstellung zu finden. Dies zeigt auch das nachfolgende Beispiel von Saraswathi.

Saraswathi ist nun im Studium des 3. BA. Vormittags von 9.30 Uhr bis 13.00 Uhr arbeitet sie als „Posthalterin“ im Postbüro von Ganjam und am Nachmittag geht sie zur Schule. Sie ist eine sehr gute Schülerin und will sich als Lehrerin eine Zukunft aufbauen.

Der Briefkasten beim Postbüro (primitiv ist das Lokal der Post und ebenso armselig ist der Briefkasten. Andererseits kostet aber ein Luftpostbrief nach Europa auch nur 15 Rupien oder SFr. 0.42)

17 Kinder sind neu dazugekommen!

Es sind wohl einige Abgänge zu verzeichnen, andererseits aber sind 17 Kinder neu dazu gekommen welchen wir unsere Unterstützung zukommen lassen. Insgesamt sind es zur Zeit 159 Kinder, davon noch 73 als Patenkinder und 86 Kinder ohne Paten, die von unserer Hilfe profitieren. Im Juni 2009 zum jährlichen Schulbeginn wird sich diese Zahl wohl noch wesentlich vergrössern.

Mangelhafte sanitäre Einrichtungen…

Zusammen mit der Schwester besuchte ich „Mini-Pakistan“. (Es wird so genannt weil dort nur Moslems wohnen.) Zahlreiche unserer Patenkinder wohnen dort. Doch den Häusern mangelt es an jeglichem Komfort, praktisch alle haben keine Toilette oder Waschraum und die Böden bestehen aus gestampftem Lehm. Gekocht wird wie bei den Pfadfindern am Lagerfeuer auf ein paar Steinen. Um die Häuser zu bauen hatten die Familien vor ein paar Jahren von der Regierung ein Grundstück und einem Kredit von 25’000 INR erhalten. (Der Kredit müsste eigentlich zurück bezahlt werden, aber wer ist schon dazu im Stande).

Wir haben nun vielen Familien einen nicht rückzahlbaren und nicht zu verzinsenden Kredit von 10’000.- INR gegeben damit ihr Zuhause etwas wohnlicher gemacht werden kann. Diese Aktion wird uns ca. 250’000.- INR kosten.

Gopi und sein Ambassador sind unzertrennlich!

Unser Gopi verdient es auch einmal erwähnt zu werden. Er betreibt als Selbstständiger ein Taxiunternehmen mit seinem altersschwachen „Ambassador“.

Wir haben ihn als unseren Chauffeur ausgewählt, weil er sehr zuverlässig, freundlich und immer abrufbereit ist. Seit mehreren Jahren kennen wir ihn nun schon und noch nie hatten wir uns über ihn zu beklagen.

Seinen „Gefährten“ den Ambassador, Jahrgang unbekannt, aber schon mit über 250’000 Kilometern auf dem Buckel hegt und pflegt er wie ein Schmuckstück. Vor einem Jahr hat er die Karosserie ausgewechselt, jedoch den alten Motor behalten. Dass vielleicht das Eine und das Andere nicht mehr richtig funktioniert ist ein Detail, was soll’s schon, denn er läuft und läuft und läuft, wenn auch manchmal nicht so schnell wie man es gerne hätte, und wir haben deswegen auch schon mal fast einen Heimflug verpasst.

Wenn wir nach Mysore müssen um Einkäufe zu machen, dann rufen wir einfach Gopi. Er und sein Ambassador sind unsere Basis-Station in der Stadt. Er bringt uns überall hin und wartet auf uns. Die eingekauften Sachen können wir im Auto ablegen und uns um weitere Einkäufe kümmern.

Beim Einkauf in Mysore wird er von uns nicht nach den gefahrenen Kilometern bezahlt sondern nach Zeit. Mysore ist 15 km entfernt und pro Stunde die er mit uns unterwegs ist bekommt er 100 INR Wenn wir ihn mal nach dem Preis fragen so sagt er nur: „Du weisst schon“.